Freudenhain IM Gespräch: Der chinesische Hahn zwischen Heihe und Tengchong

DSCF8649China - omnipräsentes, und doch so unbekanntes Riesenreich der Mitte. Lehrbücher werden dem Land in seiner unglaublichen Vielfalt kaum gerecht. Aus diesem Grund lud die Fachschaft Geographie Kätti Xiaonou Yuan ein, um den Schülern der 10. Klassen am 15. Mai 2014 China aus erster Hand näher zu bringen. Frau Yuan ist als interkulturelle Expertin bei der ICUnet.AG tätig und stammt selbst aus Beijing. Ihr Studium absolvierte sie in Beijing, Göttingen und Tübingen und lebt jetzt in Passau.

Schon zu Beginn des humorvollen Vortrages hieß es rechnen! Die Schüler kamen zum Ergebnis, dass China ungefähr 27-mal so groß wie Deutschland ist. Die Provinz Yunnan im Südwesten Chinas allein habe ungefähr die Größe unseres Landes, so Frau Yuan. Ebenso hieße die Hauptstadt Beijing, der Begriff "Peking" werde lediglich in Verbindung mit kulinarischen Spezialitäten (so z.B. die berühmte Pekingente) verwendet.

Chinesische Schüler lernen zuerst, dass China aussieht wie ein Hahn, wobei die nordöstlichen Provinzen Heilongjian, Jilin sowie Teile der inneren Mongolei den Kopf bilden, Xinjiang im Westen den Schwanz und Guangdong und Hainan die Füße. Schräg durch das Land zieht sich die imaginäre Heihe-Tengchong-Linie und teilt es in den bevölkerungsreichen Osten, wo über 90 % der Chinesen lebt, und den dünnbesiedelten Westen. Verglichen mit Deutschland und übertragen auf den Freudenhainer Festsaal hieße dies, dass sich statt der beim Vortrag anwesenden 150 Schüler ca. 900 Schüler dort aufhalten müssten.

Sehr interessant war es auch, über den Schultag von chinesischen Schülern zu erfahren. So erhalten diese schon in der Vorschulzeit Unterricht und lernen bereits mit vier Jahren Englisch. Frau Yuan durfte sich in ihrem Englischunterricht einen englischen Namen aussuchen und wählte "Kathy". Als sie anfing, Deutsch zu lernen, war ein deutscher Name gefragt, so deutschte sie das englische Kathy kurzerhand in "Kätti" ein, erzählte sie amüsiert.
In einer chinesischen Klasse werden ca. 40-60 Schüler unterrichtet und es muss überwiegend auswendig gelernt werden. Ein Schultag dauert von 7:30 bis 17:30. Nach einer einstündigen Pause schließen sich noch Förder- und Zusatzkurse bis ca. 21:30 an. Am Wochenende ist der Samstag frei, jedoch finden nachmittags häufig Instrumentalstunden statt. Am Sonntag wird oft noch privater Nachhilfe- bzw. Zusatzunterricht genommen. Das aus Deutschland bekannte Notensystem existiert nicht, statt dessen gibt es ein Rankingsystem, d.h. der Platz im Klassenvergleich ist wichtig. Erreicht werden müssen aber immer mind. 60 % der maximal erzielbaren Punkte. Einzelne Kurse werden nach dem Leistungsprinzip gebildet, wobei die Besten eines Jahrgangs in einem Kurs zusammengefasst werden, die zweitbesten in einem anderen Kurs etc. Wer die erforderlichen Resultate nicht konstant erreichen kann, wird sofort in einen untergeordneten Kurs versetzt. Das Endergebnis ist für die Schüler immens wichtig, denn es entscheidet darüber, an welcher Universität studiert werden darf. Somit ist der Druck auf Schüler und Studenten sehr hoch.

DSCF8653Es bleibt so verständlicherweise wenig Zeit für die eigene Familie, obwohl diese für Chinesen einen sehr hohen Stellenwert hat. Frau Yuan erzählte uns, dass es staatlich vorgeschrieben ist, seine Familie mind. einmal im Jahr zu besuchen. Dies trifft v.a. auf die vielen Wanderarbeiter zu, die ihre Heimat verlassen und in den großen Städten nach Arbeit suchen.
Das Leben in China ist teuer. Das Einkommen liegt bei ca. 800 EUR, aber ein Quadratmeter Wohnung in Beijing kosten ca. 430 EUR zum Kauf. Eine Hochzeit kostet ca. 30.000 EUR, wobei hier die Eltern des Bräutigams diese ausrichten müssen. Kinder leben deshalb lange zuhause bei ihren Eltern. Die Ein-Kind-Politik wurde mittlerweile gelockert (zwei Kinder sind erlaubt, wenn beide Elternteile Einzelkinder sind; in ländlichen Gebieten ist auch ein zweites Kind erlaubt, wenn das erste ein Mädchen ist). Ein zweites Kind ist kein Problem, wird aber mit hohen Strafzahlungen belegt und es gibt keine staatliche Registrierung des Kindes bis zum 16. Lebensjahr. Diese Registrierungsnummer ist aber bereits nötig, um z.B. Bahntickets zu kaufen oder zur Schule gehen zu dürfen.

Die chinesische Küche ist sehr vielseitig. Das Klischee "Hunde werden gegessen" trifft in weiten Teilen des Landes nicht zu, speziell zum Verzehr gezüchtete Hunde werden nur in den nördöstlichen Provinzen gegessen, da diese Tradition aus Korea kommt. Auch seien die auf Märkten angebotenen frittierten Insekten meistens nur für Touristen.
Mit einem Augenzwinkern empfahl Frau Yuan den Schülern, doch Chinesisch zu lernen, sei es doch eine sehr einfache Sprache, bei der es weder Konjugationen noch Deklinationen gebe und Zeiten nur durch das Hinzufügen einer Zeitangabe gekennzeichnet würden. Für den Alltagsgebrauch seien auch nur 3000-5000 Zeichen nötig. Da das Chinesische von verschiedenen Betonungsarten lebt, machte Frau Yuan mit den Schülern einige Übungen mit dem Wort "ma", bei dem die Tonhöhe entweder gleich bleiben, abfallen, ansteigen oder erst abfallen und dann steigen kann, was aber dem Wort jeweils eine unterschiedliche Bedeutung gibt.

Wir danken Frau Yuan für den höchst informativen und humorvoll dargebotenen Vortrag!

Anna Ranzinger

BilerChildrenLeg og SpilAutobranchen